Was ist wichtig im Leben?

Wie sich Prioritäten und Werte in meinem Leben vom Vertrieb zum Handwerk verschoben haben.

Meine Masche: ein gutes Maß an Hingabe

Ich bin Schneidermeisterin.

Was mich besonders an diesem schönen Handwerk reizt? – Der hohe Anteil an Handarbeit!

Am liebsten arbeite ich mit Menschen – mit Kindern, Jugendlichen, aber auch mit Erwachsenen – an Projekten, die sie selbst fesseln.

Das Thema Upcycling von Bekleidung interessiert mich sehr, zum einen, weil es meiner ausgeprägten kreativen Neigung entspricht, auf der anderen Seite ist es nachhaltig und damit besonders fördernswert.

Darüber hinaus macht es mir große Freude, mein Wissen in „Klarissas Kleiderwerkstatt“ weiterzugeben.

 

Interview mit Klarissa

Red.: Klarissa, du begeisterst mit deiner Freude am Handwerk und an der Handarbeit. War das schon immer so?

(Lacht) Es gibt ein Beweisfoto…  die Affinität zu Handarbeiten besteht schon seit dem Kindesalter. Das habe ich mit Sicherheit meiner Mutter zu verdanken, die mir und meinen drei Schwestern schon frühzeitig Häkeln und Stricken beigebracht hat. Natürlich hat sie unsere Garderobe häufig selbst genäht, gestrickt oder gehäkelt. Ja, ich habe es schon immer geliebt. Aber mich zunächst nicht getraut, es zu meinem Beruf zu machen. Deswegen habe ich auch zuerst was ganz Anderes gemacht.

Und was hast du vorher gemacht?

In meinem „letzten Leben“ war ich 25 Jahre für einen großen Bankenverband tätig und habe den Bildungsbereich des Unternehmens repräsentiert… In dieser Zeit mit sehr viel Kundenkontakt habe ich übrigens auch gelernt, wie wichtig gut sitzende Kleidung für ein selbstsicheres Auftreten ist.

Du gibst Kurse für Kita-Kinder, Schüler und Rehabilitanden. Was denkst du, nehmen deine Teilnehmer an Essenziellem mit nach Hause? Gibt es da eine Gemeinsamkeit?

Meine Teilnehmer nehmen nicht nur ihre selbstgefertigten Stücke mit – viele finden hier ihre Kreativität wieder und kommen in einen Flow. Ein anderes Wort dafür, wenn man glücklich ist, weil man ganz in einer Tätigkeit versunken ist, die einen erfüllt. Sie können nach Hause gehen und zu sich sagen: „Ich habe was selbst gemacht. Ich kann was!!!“ – damit kann man sich sehr gut fühlen. Sie lernen aber auch den Umgang mit Ressourcen neu. Und eigentlich auch etwas Projektplanung, denn Handarbeit will gut geplant sein.

Red.: Nähst du eigentlich noch selbst?

Klarissa: Aber sicher! Ich nehme gern Aufträge an – zum Beispiel arbeite ich weiterhin für Sandro Dünforth – ich bin ihm als meinem Lehrmeister immer noch verbunden und dankbar, dass Sandro mich zu seinem Team zählt und mir Aufträge übergibt – insbesondere Handarbeiten. Ein Anzug wird zu 80% in Handarbeit hergestellt, da fällt Einiges für mich an. Bei einem der besten Herrenschneider Deutschlands gelernt zu haben, ist für mich ein Privileg und auch eine Verantwortung: auf der einen Seite möchte ich alte Handwerkskunst bewahren. Auf der anderen will ich ganz bewusst erlerntes Wissen nachhaltig interpretieren.

Hast du hierfür ein Beispiel?

Ein Beispiel ist ein Tellerrock, upgecycelt aus alten Samtgardinen. Dieser Rock ist handwerklich so verarbeitet, wie ich es als Herrenschneiderin gelernt habe. Knopflöcher würde ich beispielsweise niemals mit der Nähmaschine anfertigen, sondern grundsätzlich von Hand stechen. Ich mag es, Tradition und Upcycling zu verbinden. Und für mich sind Maßschneiderei und Upcycling auch kein Widerspruch. Da bin ich gern eine Exotin.

Apropros Exotin. In Deiner Kleiderwerkstatt wird ja nicht nur Bekleidung genäht…

(Lacht) Du spielst auf die Restaurierung von Autositzen italienischer Oldtimer an?! Ja, das hat sich inzwischen rumgesprochen. Außerdem bekomme ich regelmäßig andere interessante Aufträge, die mich immer wieder reizen und herausfordern. Je ausgefallener desto besser. Der von mir neu ausgekleidete RIMOWA-Koffer eines Fotografen ist so ein Beispiel. Oder passgenaue Bezüge eines ollen Sofas, das nun wieder ein echter Hingucker geworden ist. So was macht mir richtig Spaß!

Und dann bist Du auch noch Stellvertretende Obermeisterin und Arbeitgebervertreterin im Gesellenprüfungsausschuss!

Für mich war immer klar, dass ich nach Bestehen der Meisterprüfung in die Innung des Bekleidungshandwerks der Handwerkskammer Hamburg eintrete. Zunächst habe ich mich als Lehrlingswartin um den Nachwuchs gekümmert. Das hat mir großen Spaß gemacht. Dass ich als Stellvertretende Obermeisterin jetzt noch mehr Verantwortung übernehmen darf, empfinde ich als große Wertschätzung meiner Arbeit. Toll, dass ich mitwirken darf, das schönste Handwerk der Welt zu repräsentieren und sichtbar zu machen. Auch und besonders im Sinne von Nachhaltigkeit, einem Thema, das mir bekanntermaßen besonders am Herzen liegt.